„INTERIEURS“
Carlo Mollino

Oktober 2008, Zürich

Carlo Mollino (1905 – 1973) ist einer der grössten ästhetischen Universalisten des 20. Jahrhunderts. In Turin als Sohn eines Architekten geboren, begann er zunächst, Kunstgeschichte zu studieren, wechselte aber bald zur Architektur und schloss 1931 seine Ausbildung mit einem Diplom ab. Das Studium verstand er als Ausgangspunkt vielfältiger Aktivitäten, sein Multitalent schlug sich in einer abenteuerlichen Melange von kreativen Engagements nieder: Mollino tat sich genauso als erfolgreicher Autorennfahrer wie als Kunstflieger hervor. Er betätigte sich als Erfinder, Okkultist und Frauenverführer. Und er erreichte in den bildnerischen Tätigkeiten - namentlich als Architekt, Möbeldesigner und Fotograf - bereits zu Lebezeiten eine Reputation von Weltrang.

Carlo Mollino ist ein Gesamtkunstwerker im besten Sinn. Neben seiner architektonischen Tätigkeit widmete er sich mit grosser Könnerschaft der Fotografie und avancierte darin zu einer der führenden Figuren. Als Tüftler und Erfinder machte sich Mollino einen Namen; er experimentierte mit unterschiedlichen Kameras und Foto-Techniken. Bereits 1945 wurde in Turin sein umfangreiches Werk „Il messaggio dalla camera oscura“ veröffentlicht. Ein Klassiker der fotografischen Literatur.

Im Zentrum des foto-künstlerischen Interesses stand die Auseinandersetzung mit den eigenen architektonischen Werken, die Carlo Mollino mit virtuosen Bildern und inszenierten Szenen dokumentierte. Mit Hilfe der Kamera avancierten seine Innenausbauten und Möbelentwürfe zu bühnischen Ensembles, deren Ausstrahlung das Faszinosum modernistischer Formensprache kongenial vermitteln konnte.

Mollino nutzte das Medium der Fotografie nicht nur zur Wiedergabe seiner Arbeit, sondern verstand die meist schwarz-weiss gehaltenen Bilder als künstlerische Weiterführung seines architektonischen Vokabulars, das in einer ausgeklügelten doppeldeutigen Balance zwischen Material, Raumstruktur und Details gehalten wurde. Die stark von cineatischen Momenten geprägten Bilder verleihen der Mollino-Architektur eine hintergründige Aura; sie zeigen aber auch surrealistisch anmutende Szenarien und kokettieren mit sexuellen Anspielungen: mit Fetisch-Objekten, mit Spiegeln, halb geschlossenen, extravaganten selbst entworfenen Möbelstücken und mit einer Vielzahl sinnlicher Textilien. Solche komplexen Bildwelten liessen sich oft nur dank der Zusammenarbeit mit professionellen Fotostudios realisieren. Mollinos legendäre handschriftliche Vermerke und Ausschnitt-Darstellungen, die sich auf manchen Abzügen noch finden, zeugen von seiner grossen Könnerschaft und seinem ausgeprägten Kunst-Wollen. Fotos mit solchen "Spuren" des Meisters sind mittlerweile begehrte Unikate mit Vintage-Charakter.